„… Suu geht immer weiter, immer weiter in den Tunnel, hinein in sein tiefer werdendes Schwarz. Sie vertraut diesem Weg und umkehren will sie nicht. Kein Schritt zurück, nur nach vorne, in eine Richtung, die stimmt. Alles passt, alles fühlt sich richtig an. Weitergehen und die Dunkelheit ignorieren, die Helligkeit wartet. Irgendwo dahinten ist sie schon zu sehen. Ein schüchterner Hauch. Schemenhaftes Licht. Suu geht weiter und Zeichen tauchen auf. Signale, die warnen, sie sind rot und ihre Botschaft ist klar.
‚Meide diesen Ort. Kehre um.‘
Aber Suu geht. Weiter. Und sie kommt voran. Sie geht in die Dunkelheit und ignoriert die Stimmen, die warnen, die zu ihr sprechen und die ihr immerfort Fragen stellen, doch Suu antwortet nicht. Denn dies ist ihr Weg, ihn hat sie beschritten und ihn wird sie weitergehen.
Der Weg führt nun bergab. Das Licht ist schon lange verschwunden, aber das Gehen fällt leicht. So fühlt sich Leichtigkeit an. Wie Fallen. Und Suu erinnert sich, wie häufig sie schon gefallen ist. Wie oft sie den Boden unter ihren Füßen verlor. Nichts gab ihr Halt. Keine Reibung. Kein Aufwand. Das Fallen passierte von selbst, einfach so. Nichts musste sie tun. Suu fiel wie durch einen Schacht, seine unbeleuchteten Wände flogen an ihr vorbei. Immer schneller stürzte sie hinab in diesen endlosen Raum. Und sie ahnte, dass dieser Raum Wände hat. Und einen Boden, auf dem ihr Leben möglicherweise enden wird. Wie oft schon ist sie abgestürzt, und wie oft war sie jedes Mal vom Aufprall überrascht; wie hart er war, und dass sie ihn dennoch immer wieder überstanden hat…“
„Das Farbenhoroskop“, 2024, Lars van Keuk, Auszug aus der Geschichte „Rückfall“